Wenn du dir ein paar Minuten Zeit nimmst, wirst du eines der emotionalsten Ereignisse meines Lebens und auf dieser Reise kennen lernen:
1987 war ich das erste Mal als Backpacker in Thailand unterwegs. Mein ehemaliger Arbeitskollege und Freund Markus Stöckel und ich machten Asien unsicher. 😉
Da ich vorher noch nie in meinem Leben einen Tennisschläger in der Hand hatte, habe ich mir damals in der Nähe von Bangkok aus lauter Spaß mal für eine Stunde einen Tennislehrer gebucht. Was ich nicht wusste, mein Tennislehrer Winyoo Seehaamphai war einer der besten Tennisspieler Asiens.
Nach 10 Minuten sagte Winyoo wörtlich zu mir: „Thomas, du wirst nie in deinem Leben Tennis spielen lernen, lass uns lieber einen saufen gehen !!!“
Gesagt, getan !!!
Winyoo lud uns einige Tage später ein, ihn in seine Heimatstadt Chiang Mai (im Norden Thailands) zu begleiten. Wir wohnten dort mit ihm und seiner Familie in seinem Haus, ich spürte die Gastfreundschaft seines Landes und er zeigte uns den wunderschönen Norden Thailands und des Goldenen Dreiecks.
Er erklärte mir das „Mai pen rai“ (die Unbeschwertheit des thailändischen Lebens), die Lust der Thais am Lachen, erklärte mir den Buddhismus, dass ich ihn verstehen konnte und vieles mehr, bevor wir einige Wochen später wieder nach Hause flogen.
All dies beeinflusste und formte auch teilweise mein späteres Leben, wofür ich ihm von ganzem Herzen dankbar bin. Natürlich luden wir ihn ein, uns mal in Deutschland zu besuchen.
Ca. ein Jahr später rief mich eine unbekannte Telefonnummer an. Als ich dran ging, sagte eine mir bekannte Stimme: „Hallo Thomas, hier ist Winyoo, ich bin gerade in Frankfurt gelandet, kannst du mich abholen?!“ Darum ließ ich mich nicht zweimal bitten und war total froh, dass Winyoo tatsächlich nach Deutschland gekommen war. Winyoo blieb ein halbes Jahr in Deutschland und wohnte in dieser Zeit bei mir oder Markus und/oder abwechselnd bei Freunden. In der Volkshochschule lernte er Deutsch, gab Tennisunterricht und fuhr immer wieder mit dem Fahrrad 60 Kilometer von Hanau (wo ich damals wohnte) nach Jossa, um meinem Papa z.B. bei der Obsternte zu helfen.
Als er wieder nach Thailand zurück kehrte, lernte er dort als deutschsprachiger Touristenführer eine Schweizerin kennen. Bald darauf heirateten er und seine Frau Karen in der Schweiz. Leider hielt die Ehe nur ein Jahr und Winyoo flog nach der Trennung zurück nach Thailand. Und ab da, trennten sich leider unsere Wege!
Auf meine unzähligen Briefe (das war damals noch so üblich), Geburtstagskarten u.ä. gab es nie eine Antwort. Das lag mit Sicherheit auch daran, dass Winyoo viel durch die Lande zog und das Postsystem in Thailand nicht so reibungslos funktionierte, wie bei uns.
Seit August 2021 bin ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin Katharina auf einer einjährigen Weltreise. Da ein Ziel unserer Reise Thailand war, nahm ich mir vor, in Chiang Mai nach Winyoo zu suchen, obwohl ich keine Adresse mehr von ihm hatte und nicht klar war, ob er evtl. überhaupt noch lebt oder vielleicht ganz woanders wohnt.
Dank meines Freundes Uli Kreppenhofer (der vor fast 10 Jahren mal für zwei Jahre in Chiang Mai gelebt hatte),
seiner damaligen Kontakte, An-/Abfragen in den sozialen Netzwerken, der Hilfsbereitschaft unserer Hotelbesitzerin Uruma sowie der Befragung von vielen Einheimischen war es nach drei Tagen Suche tatsächlich soweit.
Da stand ich also am letzten Tag meines Zwischenstopps in Chiang Mai in einer mit ca. 150.000 zählenden Einwohner großen Stadt mit klopfendem Herzen, freudig, aber auch vollkommen nervös und ängstlich vor dem, was mich erwarten könnte vor dem Haus, vor dem ich mich vor fast 35 Jahren von Winyoo verabschiedet hatte.
Und dann,
… dann war es soweit:
Am Freitag, den 13.Mai 2022 um 19:05 Uhr stand mein Freund Winyoo vor mir!!!
Da stehen nun zwei Männer, die sich umarmen und ihre Tränen nicht zurückhalten können. Als wir uns laaange umarmten, fühlte ich nur noch Freude und Glück pur sowie jede Menge Dankbarkeit, ihn noch ein Mal sehen zu dürfen.
Winyoo arbeitete nach seiner Rückkehr nach Thailand als Tennislehrer, Golflehrer und als Touristenführer in verschiedenen Städten des Landes und heiratete erneut.
Vor fünf Jahren erlitt er einen Schlaganfall mit teilweiser Lähmung seiner linken Körperseite, sodass er seine Berufe nicht mehr ausüben kann. Aber er ist auf einem guten Weg, sich langsam ins Leben zurück zu kämpfen.
An die gemeinsame Zeit in Thailand und in Deutschland konnte er sich gut erinnern. Für mich war auch sehr berührend, als er sich nach meinem Papa und meiner Mama erkundigte. Als ich ihm erzählte, dass mein Papa vor eineinhalb Jahren verstorben ist, weinte er erneut.
Ich spürte, dass mein Besuch ihn glücklich machte, aber ihm auch emotional sehr „zusetzte“. Schweren Herzens verabschiedete ich mich von meinem Freund Winyoo und seiner Frau.
Leider war es nicht möglich, unsere Weiterreise am nächsten Tag zu verschieben. Ich habe Winyoo aber versprochen, dass ich schon bald wieder nach Chiang Mai kommen werde.
Und dann werden wir wieder Zeit miteinander verbringen, so wie vor 35 Jahren.
Bis bald, mein Freund Winyoo.
Mai pen rai !!!